Kommunale Verfassungsbeschwerde gegen Vorteilsabschöpfung nach § 7a Satz 2 bis 4 AG-SGB II NRW erfolglos
Mit der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie ist es vereinbar, dass durch § 7a Satz 2 bis 4 AG-SGB II NRW die Vorteile abgeschöpft werden, die Kommunen in den Jahren 2007 bis 2009 gleichheitswidrig erlangt haben. Dies hat der Verfassungsgerichtshof mit heute verkündetem Urteil entschieden und damit die Verfassungsbeschwerde von zehn Kreisen und sieben kreisfreien Städten zurückgewiesen.
Mit Urteil vom 26. Mai 2010 (OVGE 53, 264) hatte der Verfassungsgerichtshof den damaligen Verteilungsschlüssel für Finanzzuweisungen, die das Land Nordrhein-Westfalen den Kreisen und kreisfreien Städten im Zusammenhang mit der Umsetzung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt ("Hartz IV") gewährt, für verfassungswidrig erklärt. Er hatte dem Gesetzgeber aufgegeben, für einen Ausgleich der durch die verfassungswidrige Verteilungsregelung verursachten Nachteile zu sorgen. Dies ist in § 7a Satz 1 AG-SGB II NRW geschehen. In Entsprechung hierzu sehen die nunmehr angegriffenen Regelungen eine zeitlich gestreckte Vorteilsabschöpfung in Höhe von landesweit insgesamt rund 237,8 Mio. Euro bei den Kommunen vor, die in den Jahren 2007 bis 2009 von der gleichheitswidrigen Verteilung profitiert haben: Die überhöhten Zuweisungsbeträge sollen ihnen jeweils zu einem Achtel von den künftigen Zuweisungen in den Jahren 2011 bis 2018 abgezogen werden. Im Jahr 2019 ist gegebenenfalls eine Schlussabrechnung vorgesehen. Den hiergegen erhobenen verfassungsrechtlichen Einwänden der Beschwerdeführer ist der Verfassungsgerichtshof nicht gefolgt.
In der mündlichen Urteilsbegründung führte Präsidentin Dr. Brandts u. a. aus:
Die Bestandskraft der in den Jahren 2007 bis 2009 ergangenen Festsetzungsbescheide stehe dem gesetzlich angeordneten Vorteilsausgleich nicht entgegen. Die damals gewährten überhöhten Zuweisungsbeträge würden nicht zurückgefordert, vielmehr werde der Vorteil in der Zukunft zeitlich gestreckt - überwiegend im Wege der Verrechnung - abgeschöpft. Dies gewährleiste die Gleichbehandlung der Kommunen im Gesamtzeitraum von 2007 bis 2019.
Der Grundsatz des Vertrauensschutzes sei nicht verletzt. Die Regelungen entfalteten zwar in der Sache rückwirkende Kraft. Diese Rückwirkung sei indes zulässig, weil die Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt auf den Fortbestand der Verteilung in den Jahren 2007 bis 2009 hätten vertrauen können. Der begrenzte Umfang der zu verteilenden Mittel und die daraus folgenden Auswirkungen einer Änderung des Verteilungsmaßstabs seien von Anfang an erkennbar gewesen. Gleiches gelte für die Fehleranfälligkeit der Daten, die der ursprünglichen Verteilungsregelung zu Grunde gelegen hätten.
Die Einschränkung der Finanzausstattung der betroffenen Kreise und kreisfreien Städte genüge dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Soweit die Kreise die wirtschaftliche Entlastung in den Jahren 2007 bis 2009 durch Senkung der Kreisumlage an die kreisangehörigen Gemeinden weitergegeben hätten, seien sie haushaltsrechtlich nicht gehindert, die mit den angegriffenen Regelungen verbundenen finanziellen Einbußen bei der Bemessung der Kreisumlage in den Jahren 2011 bis 2019 zu berücksichtigen.
VerfGH 13/11