Wahlprüfungsbeschwerden aus Anlass der Landtagswahl NRW 2017
Bei dem Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen sind sechs Beschwerden gegen Wahlprüfungsentscheidungen des Landtags aus Anlass der Landtagswahl am 14. Mai 2017 eingegangen. In seinen Entscheidungen vom 13. September 2017 hatte der Landtag die Einsprüche als unzulässig bzw. unbegründet zurückgewiesen.
Drei Verfahren sind bereits abgeschlossen. Eine Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof als unzulässig verworfen, weil sie nicht fristgerecht begründet worden war (Beschluss vom 16. Januar 2018 - VerfGH 14/17). Die beiden anderen Beschwerden sind als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen worden, weil die Beschwerdeführer als „einzelne Wahlberechtigte“ nicht die notwendige vorherige schriftliche Zustimmung von mindestens 50 weiteren Wahlberechtigten beigebracht hatten (Beschlüsse vom 16. Januar 2018 - VerfGH 10/17 und VerfGH 12/17).
Die noch anhängigen Verfahren betreffen folgende Sachverhalte:
Ein mit 62 Stimmen Abstand unterlegener Wahlbewerber wendet sich gegen eine rechnerisch unrichtige Feststellung des Erststimmenwahlergebnisses im Wahlkreis 16 (Köln IV). Zur Begründung trägt er vor, dass nach Beobachtungen Dritter am Wahlabend kurz vor 23 Uhr auf der städtischen Internetseite beim Gesamtergebnis des Wahlkreises 100 Stimmen bei ihm wieder abgezogen worden seien, wofür es keine nachprüfbare Erklärung gebe. Bei daraufhin erfolgter genauerer Betrachtung der Erststimmenergebnisse hätten sich – gemessen am Erststimmenergebnis im Gesamtwahlkreis – in sechs Briefwahlstimmbezirken Auffälligkeiten gezeigt. In diesen lägen jeweils in statistischer Hinsicht signifikante Abweichungen vor, ohne dass die aktuellen Strukturdaten des Wahlkreises soziografische Sondereinflüsse erkennen ließen, die die festgestellten Ergebnisse erklärlich machen könnten (Aktenzeichen VerfGH 15/17).
Mit seiner Wahlprüfungsbeschwerde macht der Landesverband Nordrhein-Westfalen der Partei „Volksabstimmung - Ab jetzt...Demokratie durch Volksabstimmung - Politik für die Menschen“ im Wesentlichen geltend, die Wahl sei ungültig und müsse wiederholt werden, weil das Wahlergebnis durch Umfrageinstitute, die Medien und durch mit öffentlichen Mitteln geförderte Vereinigungen manipuliert worden sei. Zudem seien Andersdenkende eingeschüchtert und unter Druck gesetzt worden (Aktenzeichen VerfGH 13/17).
Der Landesverband Nordrhein-Westfalen der Partei Alternative für Deutschland (AfD) trägt mit seiner Wahlprüfungsbeschwerde im Kern vor, bereits festgestellte erhebliche Auszähl- bzw. Wahlfehler in einer Vielzahl von Wahlkreisen ließen den Schluss auf landesweit vorsätzliche, systematische Wahlfehler und -fälschungen zum Nachteil der AfD zu, die eine landesweite Nachzählung der bei der Landtagswahl abgegebenen Zweitstimmen erforderten. Dieser Ansicht liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: Nach Bekanntgabe des vorläufigen amtlichen Ergebnisses erhielt der Landeswahlleiter Hinweise, dass die AfD in einigen Stimmbezirken keine oder nur sehr wenige Zweitstimmen erhalten habe. Auffällig war zudem, dass die auf dem Stimmzettel und in den Wahlniederschriften unmittelbar vor der AfD aufgeführten AD-Demokraten NRW in einigen Fällen erstaunlich hohe Zweitstimmenergebnisse erzielten. Darüber hinaus wurden mutmaßliche Auffälligkeiten in einzelnen Stimmbezirken berichtet. Bei der vor diesem Hintergrund vorgenommenen Feststellung des endgültigen Wahlergebnisses ergaben sich in 60 von 128 Wahlkreisen Veränderungen bei den Zweitstimmen zugunsten der AfD, während sich das Zweitstimmenergebnis der AfD in 14 Wahlkreisen verringerte. Im Saldo erhielt die AfD zusätzliche 2.204 Zweitstimmen. Das Zweitstimmenergebnis der AD-Demokraten NRW verringerte sich hingegen um 965 Stimmen. (Aktenzeichen VerfGH 16/17).
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Auszug aus dem Gesetz über die Prüfung der Wahlen zum Landtag des Landes Nordrhein-Westfalen
§ 3
Einspruchs- und antragsberechtigt ist jeder Wahlberechtigte, jede in einem Wahlkreis mit einem Wahlvorschlag aufgetretene Partei, der Präsident des Landtags sowie der Landeswahlleiter. Der einzelne Wahlberechtigte bedarf hierzu der vorherigen schriftlichen Zustimmung von mindestens 50 weiteren Wahlberechtigten.
§ 5
Der Einspruch kann nur darauf gestützt werden, daß
1. das Wahlergebnis rechnerisch unrichtig festgestellt worden ist,
2. zu Unrecht gültige Stimmen für ungültig oder ungültige Stimmen für gültig erklärt worden sind, deren Zahl die Verteilung der Sitze verändert,
3. Vorschriften des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949, der Landesverfassung, des Landeswahlgesetzes oder der zu diesem ergangenen Durchführungsverordnungen bei der Vorbereitung oder der Durchführung der Wahl oder bei Ermittlung des Wahlergebnisses in einer Weise verletzt worden sind, die die Verteilung der Sitze beeinflußt,
4. Einschüchterung der Wähler oder Bewerber durch Gewalt oder durch Androhung eines den einzelnen oder eine Gruppe treffenden Übels, Mißbrauch ausgestellter Wahlscheine oder andere Ungesetzlichkeiten in einem solchen Ausmaß geschehen sind, daß hierdurch eine Auswirkung auf die Verteilung der Sitze angenommen werden kann,
5. im Falle einer nachträglichen Berufung gemäß § 39 Absatz 1 und 3 des Landeswahlgesetzes der als gewählt erklärte Bewerber nicht wählbar war oder wesentliche Mängel bei der Berufung vorliegen.