Verfassungsbeschwerde der Stadt Essen wegen Flüchtlingsaufnahme
Der Verfassungsgerichtshof NW hat eine von der Stadt Essen gegen eine Regelung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes erhobene Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen.
Die Stadt hatte beanstandet, daß bei der Ermittlung der Zahl der von einer Gemeinde aufzunehmenden Asylbewerber die sogenannten de-facto-Flüchtlinge nach dreijähriger Aufenthaltsdauer nicht mehr angerechnet werden, auch wenn sie weiterhin in der Gemeinde wohnen. Bei de-facto-Flüchtlingen handelt es sich um Ausländer, die aufgrund einer generellen Entscheidung der Landesregierung aus humanitären Gründen vorübergehend in Deutschland bleiben dürfen.
In der mündlichen Begründung des heute verkündeten Urteils führte Präsident des Verfassungsgerichtshofs Dr. Bertrams u. a. aus:
Der Landesgesetzgeber habe die Anrechnungszeit auf drei Jahre begrenzt, weil er - wie auch die Landesregierung - davon ausgehe, daß de-facto-Flüchtlinge nach Ablauf eines solchen Zeitraums in der Regel keine so große Belastung für die Aufnahmegemeinde mehr darstellten, daß sie berücksichtigt werden müsse.
Dies sei vertretbar. Bei der Festlegung der Anrechnungszeiten für die de-facto-Flüchtlinge habe der Landesgesetzgeber einen weiten Spielraum. Eine verläßliche Prognose zur Entwicklung des Aufenthalts der Flüchtlinge in Nordrhein-Westfalen sei kaum möglich. Die Annahme des Gesetzgebers, daß die Integration ausländischer Flüchtlinge mit der Aufenthaltsdauer fortschreite, sei nicht zu beanstanden. Wie schnell die Eingliederung erfolge, sei nicht einheitlich und nicht ein für allemal zu beantworten. Dies hänge vor allem vom Kulturkreis bzw. Herkunftsland des Flüchtlings und von der jeweiligen Lage auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt der Aufnahmegemeinde ab. Eine nach all diesen Faktoren differenzierende Anrechnungsregelung komme nicht in Betracht. Angesichts dessen handle der Gesetzgeber nicht sachwidrig, wenn er auf eine dreijährige Anfangszeit des Aufenthalts abstelle und nur sie zur Anrechnung bringe.
- VerfGH 5/94 -